We all came down to Montreux

Auf der Bühne – oder doch zuhause bei «Funky Claude»? Eine Ausstellung im Landesmuseum Zürich sucht nach dem Kern des Montreux Jazz Festivals.

David Bowie spielt auf Miles Davis‘ roter Trompete vor einem Regal mit Modelleisenbahnen. Das Bild verspricht ein Aufeinandertreffen von internationaler Qualität und damit wirbt das Landesmuseum für seine Ausstellung «Montreux Jazz», welche noch bis zum 20.5.2018 zu sehen ist.

Untermalt von allgegenwärtiger Musik im Hintergrund beginnt diese mit einem kurzen geschichtlichen Durchgang. Einige Tafeln erzählen die Geschichte eines etwas darbenden Montreux, welchem der junge Präsident des Tourismusbüros Claude Nobs (1936-2013) zu neuem Ruhm verhalf. Seine Idee: Ein internationales Musikfestival aufzustellen. Wie der Name schon ahnen lässt, war das 1967 gegründete Festival zu Beginn noch rein dem Jazz gewidmet. Doch schon bald, orientiert am Woodstock, wurde auch das Montreux stilistisch erweitert.

Von dieser Vielfalt spricht von nun an auch eine grosse Anzahl an Fotos. Zu sehen sind die Stars der ersten Stunde wie Miles Davis, Herby Hancock, Nina Simone, Ella Fitzgerald, B.B. King oder Aretha Franklin, aber auch spätere Gäste wie Adele und sogar Schweizer Berühmtheiten wie Sophie Hunger. Wer nun seinen Besuch gut getimt hat, der erreicht ein Bild mit den Lyrics und der Geschichte zu «Smoke on the Water» genau dann, wenn das Lied auch im ganzen Raum zu hören ist und untermalt, was für eine internationale Institution das Festival schon geworden war, als Deep Purple 1971 das Lied aufnahm.

Montreux

Deep Purple bei ihrem Auftritt 2006 in Montreux. (Bild: Lionel Flusin)

Mittendrin

Nachdem der Schnelldurchgang durch die Geschichte des Festivals abgeschlossen ist, betritt man einen grösseren Saal. Dominant in der Mitte steht eine grosse Leinwand, die Quelle der überall gehörten Musik, auf der in Endlosschleife ausgewählte Liveaufnahmen des Festivals laufen.

Die Ausstellung setzt ab diesem Zeitpunkt auf ein Gefühl des Miterlebens. Wer möchte, kann sich auf einigen bereitgestellten Flugzeugsitzen in die Rolle eines internationalen Gastes versetzen und in die Musik abtauchen. Gerahmt ist der Saal von einer Ansammlung verschiedener Plakate aus allen Jahren. Unausweichlich scheint hier die visuelle und mediale Ausstrahlung des Festivals.

Nobs

Claude Nobs backstage vor seinem letzten Festivalauftritt 2012. (Bild: Michael Agel)

Funky Claude

Zuletzt, als Schritt hinter die Kulissen, betritt man den Kern der Ausstellung. Abseits der Bühne im letzten Raum steht ein langer Tisch mit persönlichen Dokumenten, Fotos und Artefakten. Die Wände zeigen die pittoreske Aussicht des Chalet Le Picotin auf den Genfersee. Wir befinden uns nun quasi im Herzstück des Festivals, im Leben von Claude Nobs. In Vitrinen an der Wand sind weitere Artefakte zu bestaunen und hier begegnen wir auch wieder der roten Trompete und dem Regal voller Modelleisenbahnen.

Hier, in dem nachempfundenen Chalet von «Funky Claude», wie ihn Deep Purple nannte, kommen alle Stränge des Festivals zuletzt zusammen und es wird klar, wer diese Geschichte möglich gemacht hat. Im Zentrum steht Claude Nobs mit dem Festival als seinem Lebenswerk.

Mythos und Geschichte

Dies scheint schlussendlich auch die Gewichtung zu sein, welche die Ausstellung dem Phänomen Montreux Jazz Festival gibt. So handelt es sich zwar auch um die Geschichte eines Zusammenkommens von Menschen und Musik aus aller Welt, doch unverkennbar ist dies vor allem auch die Geschichte des Mannes, der dies möglich gemacht hat. Gegen die Überpräsenz von Nobs erscheint der Rest der Ausstellung, sei es die Musik, die Stars oder die Zuschauer, beinahe als Nebeneffekt. Dementsprechend stellt auch eine Tafel die Frage, was denn nun mit dem Festival geschehen wird, da der Gründer gestorben ist.

Die Figur von Claude Nobs steht noch gross im Zentrum der Geschichte des Montreux Jazzfestivals und zweifelsohne war er prägend in dessen Entwicklung. Doch genauso wie sein Ableben eine Zukunft erfordert, welche abseits von ihm das Festival weiterträgt, so stellt sich auch die Frage, wie denn dessen Geschichte ohne ihn zu denken wäre.

Damit befinden wir uns in einem allzu bekannten Spannungsfeld der Geschichte. Dem, zwischen dem Mythos einer Gründerfigur und der Geschichte eines kollektiven Phänomens. Für die Ausstellung scheint im Moment der Fall klar, doch genauso wie das Festival nun weitergeht und sich neu erfinden muss, so ist auch dessen Geschichtsschreibung noch lange nicht abgeschlossen. «The Beat goes on».

Titelbild: David Bowie mit der Trompete von Miles Davis vor Modelleisenbahnen im Chalet «Le Picotin», 1995, Caux (VD). (Quelle: Claude Nobs Archives)