Erster Tag: Diplomaten-Badge und Sommer-Fondue

Die ersten frühlingshaften Temperaturen hatten an jenem Märzabend offenbar das Reisefieber aufgetaut. Jedenfalls mündete das zunächst lockere Gespräch einiger etü-RedaktorInnen über einen möglichen etü-Ausflug rasch in konkrete Reisepläne. Der entlegenste Winkel der Schweiz – von Winterthur aus gesehen – sollte es sein, aber möglichst mit Direktzug. Da bot sich die heimliche Hauptstadt der Romandie, die 500-jährige Stadtrepublik Genève geradezu an. Sie liegt zwar noch innerhalb der kleinen Schweiz, aber für uns DeutschschweizerInnen doch irgendwie weit jenseits des Röstigrabens. Dann müssten es aber schon drei Tage sein, dachte ich, und stiess mit meinen Vorschlägen für die Reiseplanung bei der etü-Redaktion jedenfalls auf Zustimmung. Anstelle eines touristischen Abklapperns der Sehenswürdigkeiten wollte ich die spezifischen Eigenheiten Genèves ins Zentrum rücken – das, was die Stadt wesentlich ausmacht. So entstanden vier thematische Blöcke: Internationales Genève (Diplomatenviertel), Reformation (Altstadt), Grenzkonflikt (Carouge) und Agglomeration (Le Lignon). Vor während und nach diesen visuellen und intellektuellen Zugängen zur Stadt fanden sich genügend Gelegenheiten für gemütliches Beisammensein und leibliches Wohl.

Bild Genf

Am Freitag, 30. Juni, konnte es losgehen. Zu Beginn mal zu sechst, aber einige sollten sich uns im Verlauf des Wochenendes noch anschliessen – allen war die Teilnahme leider nicht möglich. Nach einer langen Zugfahrt, gekrönt durch den spektakulären Ausblick über den Lac Léman, hiess es erst mal Anstehen für die Besichtigung des Palais des Nations. Dafür erhält man vor Ort einen personalisierten Badge mit Foto – man fühlt sich ein bisschen wie ein Diplomat. 1929-36 wurde der neoklassizistische Monumentalpalast als Hauptsitz des Völkerbundes errichtet. Heute ist er Europas wichtigstes Tagungszentrum der UNO und ihrer Sonderorganisationen, darunter die WHO und die ILO. Beeindruckt von der Monumentalität des Gebäudes, wandten wir uns einem subterranen Areal zu, das der Architekt Pierre Zoelly 1988 geschaffen hat. Unter dem historistischen IKRK-Hauptsitz befindet sich das Musée international de la Croix-Rouge et du Croissant-Rouge, dessen vielseitige Dauerausstellung die Geschichte des Roten Kreuzes von der 1864 beschlossenen Genfer Konvention zum Schutz der Kriegsverletzten und Sanitäter bis zu den vielseitigen Tätigkeiten der Gegenwart darstellt. So erfuhren wir über die Anfänge des Aufstiegs von Genève zur internationalen Metropole, in der heute über 25 global tätige Organisationen und unzählige Konsulate und Tagungszentren domiziliert sind.

Fondue

Auf den kurzweiligen Nachmittag folgte ein, nun ja, nur bedingt so zu nennender, Sommerabend: Bewölkt, windig, unter 20° C. Trotzdem verschlug es uns in ein Seebad, das in die Hafenmauer integrierte Bain de Pâquis. Das Wasser mieden wir, genossen stattdessen, beim „Feierabendbier“ sitzend den Ausblick über das Seebecken, die Altstadt-Silhouette und den Mont Salève. Laufend servierten die Kellner des Badi-Bistrots Fondue-Pfannen an Touristen – welche Schnapsidee, mitten im Hochsommer! Doch der kühle Abendwind setzte uns zu, und so standen, ehe wir uns versahen, auch auf unserem Tisch zwei köstlich duftende Fondue-Pfannen. Den Abend liessen wir in einigen Bars im Umkreis der Plaine du Plainpalais ausklingen.