«Die Kaiserin» – Intrigen und Herzschmerz im Netflix-Format

Die berühmte und nicht ganz unproblematische Hochzeit von Elisabeth (Devrim Lingnau) und Franz Joseph (Philip Froissant) (Bild: Netflix)

Die neue Netflix-Produktion über die beliebte und ikonische österreichische Kaiserin erzählt eine mitreissende Geschichte über Liebe, Verrat und Eigensinn. Die Serie nimmt es dabei mit der historischen Exaktheit eher weniger genau – nicht zuletzt damit die Liebesgeschichte im Jetzt überhaupt funktioniert.

Düster, bedrückend und voller emotionaler Spannungen. Auf jeden Fall anders, als man die Geschichte der bekanntesten Kaiserin Österreichs kennt. Dafür umso fesselnder. Die neue Netflix-Mini-Serie «Die Kaiserin» besticht ab der ersten Minute mit dunklen Bildern, familiären Auseinandersetzungen und einer aufmüpfigen jugendlichen Elisabeth aka Sisi (Devrim Lingnau).

Man begleitet die 16-jährige Sisi, wie sie sich ihrer Mutter widersetzt, überall aneckt und dennoch das Herz des jungen Kaisers Franz Joseph (Philip Froissant) erobert. Franz Joseph wählt Elisabeth, statt ihrer Schwester Helene (Elisa Schlott) als seine Braut. Elisabeth muss sich neu am österreichischen Hof des 19. Jahrhunderts behaupten. Das stellt sich schwieriger als gedacht heraus, hat Elisabeth doch ein Problem mit jeglicher Autorität, besonders in Form ihrer neuen Schwiegermutter und Kaiserin Sophia (Melika Foroutan). Durch ihre Sturheit und ihre Eigenheiten fällt es als Zuschauer*in manchmal schwer, viel Sympathie für Elisabeth zu empfinden. Doch hat man durchaus auch Mitleid mit ihr, als etwa Franz Joseph an seinem eigenen Hochzeitsfest keine Zeit mit seiner neuen Gemahlin verbringen kann und sie dann auch noch auf seine ehemalige Geliebte trifft.

Viel Drama, wenig Historizität

Doch nicht nur Elisabeth muss kämpfen, auch der Kaiser steht unter Druck, denn sein Reich ist von aussen und von innen bedroht und da hilft eine aufmüpfige Ehefrau nicht weiter. So muss er nicht nur sein Land gegen einen möglichen russischen Einfall verteidigen, sondern auch höfischen Intrigen standhalten, die sein Bruder Maximilian (Johannes Nussbaum) nur zu gerne spinnt.

Wer sich eine historisch akkurate Darstellung der ersten Monate der Kaiserin Elisabeth am österreichischen Hof erhofft, wird leider enttäuscht: Schlüsselfiguren wie die Hofdame Leontine von Apafi (Almila Bagriacik) sowie die Neigung zur Verschwörung von Maximilian sind frei erfunden. Des Weiteren gibt es keine Quellen, die wirklich belegen, dass Helene eigentlich die Frau von Franz Joseph hätte werden sollen. Das Bild von Elisabeth als Männerdiebin lässt sich historisch also nicht belegen, wenn man es auch oft in Verfilmungen wiederfindet.

Auch das Alter von Sisi wird etwas vernachlässigt: Elisabeth war zum Zeitpunkt der Verlobung 15 und Franz Joseph 23 Jahre alt. Die Sisi-Schauspielerin Devrim Lingnau war zum Zeitpunkt des Drehs 23 Jahre alt, wodurch die junge Kaiserin in der Miniserie wirkt als wäre sie schon aus der Pubertät heraus. Durch diese kleine Ungenauigkeit fällt es leichter, der Liebesgeschichte zwischen Elisabeth und Franz Joseph mitzufiebern. Dass die Beziehung aus heutiger Sicht wegen ihrer Minderjährigkeit wohl eher als problematisch, denn als gegenseitige Liebe verstanden werden würde, umgeht die Serie damit geschickt.

Unsympathisch aber trotzdem menschlich

Die Serie dient demnach eher der Unterhaltung als der realen Darstellung damaliger Verhältnisse. Dieser Aspekt der Unterhaltung ist aber gut gelungen: Durch die Charaktere, die zwar menschlich aber auch unsympathisch wirken, die nachvollziehbare und doch schlechte Entscheidungen treffen, bleiben die Augen am Bildschirm kleben und eine mitreissende Mehrdimensionalität entsteht. Der Erzählfokus liegt dabei weniger auf den politischen Entwicklungen, sondern mehr auf den menschlichen Beziehungen: Der Kaiser hat eine Geliebte, die Mutter des Kaisers eine Affäre und der Bruder des Kaisers und Elisabeth schlagen sich in ausladenden Festen die Nächte um die Ohren. Eifersucht, Leidenschaft und Liebe kommen nicht zu kurz. Es wäre aber doch spannend gewesen, einen Blick ins Innenleben von Franz Joseph zu bekommen. Denn neben seiner einnehmenden Ehefrau, seiner starken Mutter und seinem machthungrigen Bruder, die alle komplexe Charaktere sind, wirkt er wie ein verlorener Idealist, der nicht viel zu sagen hat.

Es ist verständlich, dass Kaiserin Elisabeth auch im 21. Jahrhundert noch fasziniert: Die Österreicherin reiht sich ein in eine Tradition adliger Frauen, die sich gegen die strengen Regeln der Monarchie auflehnten, wie Königin Elisabeth I., Mary (Queen of Scots) und Lady Diana. Diese Frauen waren starke und mutige Persönlichkeiten, die damaligen Vorstellungen nach untypisch gehandelt haben. Sie konnten sich als Frauen mit einer Meinung behaupten in einer Welt, die Frauen tendenziell die Mitsprache absprach.

Serien wie „Reign“, „The Crown“ oder eben „Die Kaiserin“ erfreuen sich grosser Beliebtheit: Der Luxus, die Intrigen und Verstrickungen des Adels sind an sich schon spannend, aber das sind nur die Rahmenbedingungen. Die rebellischen Frauen im Mittelpunkt machen die Geschichten besonders: Kaiserin Elisabeth mit ihrem Anker-Tattoo und Lady Diana mit ihrer Nähe zum Volk sind Beispiele von Frauen, die sich der Bevormundung widersetzten und willensstark waren. Sie sind nicht nur Ehefrauen, Mütter und Anhängsel, sie haben ihre Geschichte selbst geschrieben und tun es heute noch auf unseren Bildschirmen. Beim ganzen Hype um das Phänomen dieser royalen Frauen, sollten aber die Schattenseiten der Monarchien nicht vergessen werden. Auch sie waren Akteurinnen und Profiteurinnen eines Systems, dass auf Unterdrückung und Ausbeutung, grosser Teile der Bevölkerung beruhte und dessen Folgen bis heute spürbar sind. Häufig sind es solche Aspekte, die in emanzipatorischen Inszenierungen von Sisi und Co. zu kurz kommen.

Sisi im 21. Jahrhundert

In den sechs Folgen der Miniserie kann man Elisabeth und Franz Joseph dabei zusehen, wie sie versuchen, ihren Platz in der höfischen und politischen Welt zu finden, gute Staatsoberhäupter zu sein und dabei ihre Prinzipien nicht komplett zu verraten. »Die Kaiserin« zeigt das Bild eines komplexen Netzes an sozialen Verpflichtungen, Beziehungen und Ansprüchen und lässt die Zuschauer*innen eintauchen in eine zu Unterhaltungszwecken verklärte und auf die Sehgewohnheiten des 21. Jahrhunderts angepasste Welt der schönen Kleider, nächtlichen Gelagen und prinzessinnenhaften (Alb-)Träumen.

Auf Netflix verfügbar (Staffel 2 ist bereits in Planung).