Der Mann der Zukunft: Vom Büro- an den Wickeltisch?

(Quelle: Wikimedia Commons)

Die Schweiz und Genderpolitik – ein historisch nicht ganz unkompliziertes Verhältnis. Sechzig Jahre dauerte die Einführung des Mutterschaftsurlaubs. Jetzt versucht eine Initiative, auch die Männer am Babyglück teilhaben zu lassen. Das Argument der Gegner? Familiensache sei Privatsache.

Mit einem einzigen Tag Urlaub müssen sich die meisten Schweizer Männer begnügen, wenn ihre Partnerinnen ein Kind zur Welt bringen. Wenn sie Glück haben, können sie damit gerade so die Geburt miterleben. Doch viele Schweizer Politiker sehen keinen Handlungsbedarf, wenn es um eine staatlich geregelte „Papizeit“ geht: Im Herbst 2015 wurde der parlamentarische Vorstoss des CVP-Mannes Martin Candinas abgelehnt.  Er hatte für die frischgebackenen Väter zehn Tage sprich zwei freie Arbeitswochen gefordert. Es waren vor allem die bürgerlich-konservativen Parteien, die Candinas’ Vorschlag bekämpften. Vaterschaftsurlaub sei „Privatsache“ und für „Staat und Arbeitgeber zu teuer“, so der Tenor in der Sendung „Arena“ vom Juni 2015.

Solche Argumentationsweisen sind nicht neu: Auch die Mutterschaftsversicherung, 14 Wochen bezahlter „Urlaub“ bei 80% des Lohns (maximal jedoch 196 .-/Tag),  wurde lange bekämpft und erst im Jahr 2005 eingeführt, obwohl ein entsprechendes Gesetz bereits 1945 in der Bundesverfassung verankert worden war. Doch der Wille, dieses Gesetz entsprechend umzusetzen, hielt sich in Grenzen. Dies lag unter anderem daran, dass Ehe und Familie lange Zeit als „Privatsache“ angesehen wurden, der Staat sollte sich dort nicht einmischen. Dieser Glaube beeinflusste die Familienpolitik der Schweiz auch weiterhin: Erst seit 1992 ist eine Vergewaltigung in der Ehe strafbar und erst seit 2004 kann dieses Delikt auch von Amtes wegen verfolgt werden. Zu einer Anzeige kommt es aus diversen Gründen dennoch selten, unter anderem wohl aufgrund der in der Schweiz tief verwurzelten Ansicht, dass Familienangelegenheiten privat seien. Eigentlich ein Widerspruch, da gerade konservative Parteien die Familien gerne als „Stütze der Gesellschaft“ bezeichnen – den Vätern scheint dabei aber vor allem die Rolle der finanziellen Stütze zuzukommen.

Denn schnell wird klar, dass bei familienpolitischen Themen nicht nur Geld eine Rolle spielt. Viel mehr zeigt sich, wie sehr das traditionell-patriarchalische Familienmodell noch in den Köpfen vieler SchweizerInnen verankert ist: Die Mutter bleibt zu Hause, der Vater ernährt die Familie. Unnötig, an dieser Stelle auf die späte Einführung des eidgenössischen Frauenstimmrechts 1971 (Appenzell 1992) oder die noch immer vorherrschende Lohnungleichheit zu verweisen. Der Vaterschaftsurlaub reiht sich also in eine lange Reihe von ehemals bekämpften, gesellschaftspolitischen und genderrelevanten Anliegen ein. Er dient Männern wie Frauen gleichermassen und seine Einführung ist ein weiterer, dringend benötigter Schritt in Richtung Gleichberechtigung.

Denn auch im internationalen Vergleich schneidet die Schweiz punkto „Papizeit“ nicht gut ab: Unter den OECD – Ländern belegt sie einen der letzten Ränge.

Dagegen will eine Gruppe von Organisationen, darunter der Gewerkschaftsdachverband „travail.suisse“ sowie der Dachverband der Schweizer Männer- und Väterorganisationen, „maenner.ch“, nun angehen. Im Mai 2016 begannen sie mit der Unterschriftensammlung für ihre Initiative. Sie fordern 20 freie Tage, die flexibel innerhalb eines Jahres nach der Geburt bezogen werden können. Mit diesem Modell will man den Bedürfnissen aller Schweizer Väter gerecht werden. Auch eine temporäre Reduktion des Arbeitspensums, beispielsweise von 80 auf 60 Stellenprozent, wäre so möglich. Die Kosten des Vorschlags belaufen sich laut Bundesrat auf 384 Millionen Franken und würden vollumfänglich über die Erwerbsersatzordnung (EO) finanziert.  Ausgeglichen würde dieser Betrag durch die ständig abnehmenden Entschädigungen für Militärdiensttage, die auch über die Erwerbsersatzordnung abgerechnet werden. So müssten die EO-Beitragssätze mittelfristig vermutlich nur leicht oder gar nicht angepasst werden.

Für die Schweiz wäre es an der Zeit, ernsthaft über ihre Gleichstellungspolitik nachzudenken und dieser offensichtlichen Diskriminierung von Männern einen Riegel vorzuschieben. Denn der fehlende Vaterschaftsurlaub signalisiert vor allem eines: Dass Väter für ein Kind weniger wichtig seien als Mütter.

Es bleibt zu hoffen, dass nicht viele SchweizerInnen so denken, sondern die Initiative unterschreiben. Es fehlen noch knapp 70’ 000 Unterschriften.