Ski Ballett – Der tote Ast des Freestyle Skiing

Skifahrer drehen zu klassischer Musik Pirouetten, machen elegante Sprünge und Saltos mithilfe der Skistöcke. In den 60er Jahren entstand Ski Ballett als feste Disziplin des Freestyle Skiings. Doch während die anderen Disziplinen nun olympisch sind, erinnert sich niemand mehr an Ski Ballett. 

Mittlerweile haben fast alle grossen Schweizer Skigebiete geöffnet. Das mag viele Skifans zu Freudentänzen veranlasst haben. Doch wetten, diese Freudetänze waren nicht so elegant wie diejenigen der Freestyle-Skier der ersten Generation? Ab den 60er Jahren tanzten die Freestyle-Skier nämlich Ballett auf dem Schnee, und das wäre fast mal olympisch geworden! Ski Ballet erinnert ein wenig an Stéphane Lambiel im Skiurlaub, ist belustigend anzuschauen, doch nicht minder eindrucksvoll. Aber: Ausgestorben. So was von 2000!

Die Geschichte des Ski Ballets ist sehr interessant. Im Zuge des amerikanischen Antikonformismus der 60er-Jahre stellte sich eine Gruppe amerikanischer Skifanatiker gegen die etablierten Wintersportdisziplinen Alpine und Nordisch. Unter ihnen war auch der Schweizer Arthur Furrer. Er war einer der ersten, der in der Schweiz begann Kunststücke auf Skiern vorzuführen. Diese spielerische Form des Skifahrens stiess in der traditionsverankerten Schweiz jedoch auf wenig Interesse und so versuchte er sein Glück in den USA.

Freestyle Skier entwickelten innovative Wettkämpfe wie «Moguls» (hierzulande: Buckelpiste), Schanzensprünge (auch Aerials genannt) und eben Ski Ballett. Technik statt Geschwindigkeit war die Maxime. Alle drei Teildisziplinen wurden gleichgestellt vorgeführt und erfuhren bald eine unerwartet hohe Aufmerksamkeit. Der Dokumentarfilm über die Freestyle Skiing Pro Tour 1974 in Equinox fängt den Geist der Bewegung ein.

Ein Haufen langhaariger Skifahrer in bunten Skianzügen fuhren, ja beinah flogen, unebene Pisten hinunter, vollführten dabei schmucke Kunststücke und sprangen über riesige Sprungschanzen. Jeder Teilnehmer konkurrierte in allen drei Disziplinen um den ersten Rang. Nach den Worten von Freestyle Skiing-Legende und dreifacher Weltmeisterin Genia Fuller, konnten die Teilnehmenden nur dann mit sich zufrieden sein, wenn sie in allen drei Teildisziplinen gewannen.

So wuchs Freestyle Skiing weiter und Ski Ballett galt als die Paradedisziplin der Freestyle Bewegung, da sie am Meisten Technik erforderte.

1980 wurde zum ersten Mal eine offizielle Freestyle Skiing Weltmeisterschaft von der Fédération Internationale de Ski durchgeführt. Nicht weiter verwunderlich, dass die amerikanischen Gründungsmitglieder an diesen Meisterschaften so ziemlich alle Medaillen abräumten. So belegte Bob Howard in allen fünf durchgeführten Events den ersten Platz und im Folgejahr gewann er acht von neun Veranstaltungen. Durch die Aufnahme der FIS bekam Freestyle Skiing die Chance als olympische Disziplin anerkannt zu werden, es bedeutete aber gleichwohl das Ende der Pro Touren, da die FIS nur Amateur-Sportarten aufnahm.

Durch die FIS wurden immer mehr Regeln und Objektivitätskriterien für Freestyle Skiing entwickelt. Ebenso wuchs die Anzahl Reglemente für Ski Ballett stetig. Ähnlich wie beim Eiskunstlauf mussten die Teilnehmenden nun 16 Manöver vorführen, davon vier Sprung-, vier Dreh- und acht Verlagerungsmanöver. Diese Vorgaben widersprachen dem freien Geist unter welchem die Disziplin entsprungen war.

Der Präsident des Freestyle Skiing Verbandes Jeff Chumas zeigte sich 1988 noch zuversichtlich, dass Ski Ballett schon 1992 olympisch sein werde. Einige Jahre später sah er ein, dass der Versuch Freestyle zu einer Olympischen Disziplin werden zu lassen, dass Ende des Ski Balletts einläutete.

Bei den Olympischen Winterspielen in Calgary 1988 wurde Freestyle Skiing erstmals im olympischen Rahmenprogramm als «Demonstration Sport» zugelassen, jedoch noch nicht als offiziell olympische Medaillendisziplin. Im Ski Ballett galt die Kür des Westdeutschen Hermann Reitberger als makelloseste Aufführung bis zu diesem Zeitpunkt.

Doch die Quoten waren schwach, Jury-Sportarten im ganzen olympischen Programm zu vielzählig und die Bewertung – laut dem Olympischen Komitee – zu undurchsichtig.

Moguls und Aerials zogen mehr Zuschauer an den Bildschirm und wurden 1992 respektive 1994 als olympische Einzeldisziplinen aufgenommen. Ski Ballett nicht, und die Freestyler waren enttäuscht. Dies war der Anfang des Endes von Ski Ballett und gleichzeitig der Startschuss für die «New School» des Freestyles mit Snowboard und heute auch Ski-Cross. Erneute Anfragen Ski Ballett aufzunehmen blieben stets ohne Erfolg. Im Jahre 2000 verkündete die FIS schliesslich, dass keine offiziellen Ski Ballett Events mehr ausgetragen werden sollten.

Heute kann sich, abgesehen von einer Handvoll Alt-68er kaum noch jemand an die Disziplin erinnern, obwohl vereinzelt noch Kurse angeboten werden. Snowboard gewann die Überhand und Ski Ballett hatte das Nachsehen. Irgendwie schade. Denn: ob durch Begeisterung oder Belustigung, die Disziplin hatte auf jeden Fall Unterhaltungswert und hinterlässt nicht nur die Ausübenden mit einem Lächeln im Gesicht.