Mit Donuts und einem Lächeln in den Krieg

Donuts sind als ultimatives «Comfort Food» schon lange beliebt. Im Vietnamkrieg wurde in den USA sogar ein Militärprogramm entworfen, um die Versorgung der im Ausland stationierten Soldaten mit dem süssen Gebäck zu sichern. Ziel war, den Soldaten ein Gefühl von Heimat an die Front zu bringen. Gebacken und verteilt wurden die köstlichen Kringel von jungen Frauen, den sogenannten «Donut Dollies».

«Girls, do you want to go where the Boys are?» Mit dieser Frage beginnt ein Artikel in der Washington Post aus dem Jahr 1966. Sie ist eine Referenz zum berühmten Film Where the Boys are von 1960, in dem junge College-Studentinnen an den Stränden von Fort Lauderdale nach romantischen Abenteuern suchen. Diese «Boys» waren jedoch nicht an Stränden zu finden, sondern befanden sich in Vietnam. Im Artikel wurde jungen und alleinstehenden College-Absolventinnen zwischen 21 und 24 Jahren die Möglichkeit dargelegt, als Teil des Programms mit dem Namen «Red Cross Supplemental Recreation Activities Overseas (SRAO)» nach Südvietnam zu reisen. Jeanne Christie, eine damals 21-jährige Absolventin aus Wisconsin, entschied sich, diesem Ruf zu folgen. Mit vielen anderen jungen Frauen machte sie sich als Teilnehmerin eines solchen Programmes im Januar 1967 auf den Weg nach Vietnam.

Ein Stück Heimat an der Front

Das SRAO-Programm führte eine lange Tradition von Unterhaltungsprogrammen in amerikanischen Kriegen fort. Seit dem
Eintritt der USA in den Ersten Weltkrieg 1917 unterhielten Organisationen
wie YMCA (Young Men’s Christian Association), die amerikanische Heilsarmee und das Rote Kreuz Unterhaltungsprogramme – sogenannte «Recreation Programs» – für die im Ausland stationierten Soldaten. Die in diesen Programmen beschäftigten Frauen eröffneten «Recreation Centers», wo die Soldaten in freundliche Gesichter blicken sowie Donuts und Kaffee konsumieren konnten – alles, um den Krieg für einen Moment zu vergessen. Dies war auch der Zweck des SRAO-Programms, das im Vietnamkrieg von 1965 bis 1972 durchgeführt wurde.

«As ‹ Donut Dollies› our job was to lift the guys’ spirits.»

Jeanne Christie, Freiwillige des Roten Kreuz im Vietnamkrieg

Es gab Erholungszentren (auch «Clubs» genannt) in Militärstationen, wo Frauen den Soldaten Snacks, Spiele und soziale Interaktion anboten. Durch die Versorgung mit dem süssen Gebäck mit Loch in der Mitte erhielten die Frauen bald den Spitznamen «Donut Dollies». «As ‹ Donut Dollies› our job was to lift the guys’ spirits», erinnerte sich Jeanne Christie in einem Huffington Post-Interview von 2012. «That was easier said than done. We brought a little bit of home with us, we’d listen to them. We’d play games and records at the base rec centers.»

Um die Truppen im Feld zu erreichen, wurden Erholungszentren zu Clubmobilen umgebaut: Diese fuhren auf den Rädern von alten Bussen. Ihre Ausrüstung bestand aus Kaffee- und Frittiermaschinen, Kaugummi, Zigaretten, Zeitungen, Taschenbüchern und einem Phonographen mit Lautsprechern, der Lieder aus der Heimat spielte. Die Frauen reisten mit den Clubmobilen zu entfernten Feuerstationen und Landezonen. Während des Programms in Vietnam arbeiteten 627 Frauen in 20 Red-Cross-Clubs und legten mit Clubmobilen über drei Milliarden Kilometer in alle Teile des Landes zurück.

Die «Donut Dolly» als ideale amerikanische Frau

Die «Donut Dollies» spielten nicht nur eine wichtige Rolle für die kurzfristige Ablenkung der Soldaten vom Krieg. Sie waren für die nationalen Kräfte auch zentral, um Geschlechterbilder zu konstruieren und zu festigen: die junge, attraktive Frau als Teil einer unterstützenden Heimatfront stand für das komplette Gegenteil der kriegerischen Männlichkeit der Soldaten. Für die Moral der Soldaten wurde ein Bild von Weiblichkeit erschaffen, für das sich der Krieg lohnen sollte – die heilbringende, junge amerikanische Frau als Objekt männlichen heterosexuellen Begehrens.

Das Einführungstraining konzentrierte sich somit auch auf die Verhaltensweise der Frauen gegenüber den Soldaten: Laut Jeanne Christie lernten sie dabei, «what good, proper young ladies should do, how you should act, how you behave, what you don’t say, when you don’t take a
drink and when you do take a drink, how you drink it.» Penni Evans, eine Arbeitskollegin von Christie, erinnerte sich an die Vorgaben ihrer Arbeit wie folgt: «Donut Dollies should be nonsexual symbols of purity and goodness…be sister, mother, girl next door, but don’t have affairs.» Eine «Donut Dolly» sollte allen Soldaten gleichermassen zugeneigt sein, von individuellen romantischen Beziehungen wurde abgeraten.

Die Gefahren des Sex-Appeals

Exotische Abenteuer und junge Soldaten, die sich über ein weibliches Lächeln und Donuts freuten. Der anfangs zitierte Washington Post-Artikel versprach einen traumhaften Job als «Donut Dolly». Doch es gab auch Schattenseiten. Obwohl Penni Evans die «Donut Dollies» als «nonsexual symbols of purity and goodness» bezeichnete und die Programme die
Tugend und Moral der Frauen anpriesen – der Sex-Appeal der jungen Frauen blieb immer ein wichtiger Faktor.

Übergriffe wurden als Konsequenz des Kriegs abgetan. Grundsätzlich galt die Devise «Boys will be Boys».

«It wasn’t easy being a Donut Dolly» erinnerte sich Jeanne Christie. «Some people thought we were there just to tease men. We were wrong, or bad, because we were over there. If you got pregnant it was your fault, you asked for it. And it (rape) happened in some units. You learned very quickly that there are certain things that you report and certain things you don’t. If it’s something that’s really bad, you have to deal with it.» Sexuelle Übergriffe wurden oft als Konsequenz des «wartime stress» abgetan, Strafanzeigen wurden meist keine erhoben. Zwar wurden bald zusätzliche Sicherheitsmassnahmen wie Wachposten vor den Clubs eingerichtet, aber grundsätzlich galt die Devise «Boys will be Boys». Unangebrachtes Verhalten der Soldaten wurde als unvermeidbar angesehen. Sogar das Essen gab in dem hypersexualisierten militärischen Umfeld Anlass zu ungewollten Anzüglichkeiten. Jenny Young, eine damalige Mitarbeiterin des SRAO-Programmes, schilderte eine Situation bei der Essensausgabe an Weihnachten: «I didn’t ask if they preferred chicken breasts or legs but instead I simply asked if they wanted ‚this’ or ‚that’.» Um sexuellen Anspielungen aus dem Weg zu gehen, vermied sie es, eine Frage zur Essensverteilung zu stellen. Bei der angeblich unschuldigen Verteilung von Donuts und anderen Speisen liefen die «Donut Dollies» Gefahr, sexuellen Belästigungen ausgesetzt zu sein.

Nur Kriegsmaskottchen?

In den Vereinigten Staaten begannen derweil aufsteigende feministische und Anti-Kriegsbewegungen, diese Programme zu hinterfragen. Sie sahen die Mobilisation von Frauen für die Erhaltung der Moral der Soldaten als Symbol dafür, was alles falsch sei an der amerikanischen Kultur. Insbesondere die Frauenbefreiungsgruppe «New York Radical Women» protestierte gegen die Arbeit der «Donut Dollies». Sie hätten die Aufgabe, ihre Ehemänner, Väter, Söhne und Freunde nur aufzumuntern, damit diese in besserer Stimmung sterben und töten könnten. Die Frauen seien nichts anderes als «Mascots for Murder». Obwohl das amerikanische Rote Kreuz die Professionalität und Notwendigkeit der Frauen im SRAO-Programm betonte, wirkte das dort propagierte Rollenbild für Frauen angesichts der sich schnell entwickelnden Geschlechternormen rückwärtsgewandt. Dieses konservative Frauenbild konnten die Militärs und das Rote Kreuz somit
nicht lange aufrechterhalten. Das Programm wurde nach Ende des Vietnam-Kriegs eingestellt.