Die Alchemie – Vom Tempelhandwerk zur modernen Wissenschaft

Der Alchimist – Bild von Carl Spitzweg Quelle: Wikimedia commons

Was haben Goethe und Harry Potter gemeinsam? Genau – die Alchemie. Während der Stein der Weisen den Titel des ersten Harry Potter Romans ziert und somit das Kernthema der Alchemie anspricht, sind die alchemistischen Spuren in Goethes Faust wesentlich versteckter. Doch die Alchemie ist keineswegs nur ein guter Literaturstoff, sondern blickt auf eine reiche Geschichte zurück, die ihren Ausgang schliesslich in der Disziplin der Chemie fand.  

Die Anfänge der Alchemie gehen bis in die Antike zurück. Die ägyptischen Priester standen nicht nur im Dienst der Götter, sondern sie waren durch ihre eigenen Werkstätten innerhalb der Tempelbezirke auch für die Ausschmückung der Tempelanlagen und Statuen verantwortlich. Ihr Handwerk beinhaltete das Imitieren von Edelsteinen und das Legieren. Die Priester fragten sich nicht, weshalb eine Legeirung zum Beispiel goldähnlich aussah. Erst als während des Hellenismus das ägyptische Tempelhandwerk mit der griechischen Philsophie in Berührung kam, wurden auch theoretische Fragen bezüglich der Transmutation behandelt, wobei der Materienlehre des Aristoteles besondere Aufmeksamkeit geschenkt wurde. Seine Theorie besteht darin, den vier Grundelementen Wasser, Feuer, Erde und Luft Primärqualitäten wie warm/kalt und heiss/kalt zuzuordnen. Ebenfalls erklärte Aristoteles den Äther als den allen anderen zugrunde liegende Stoff. Zusätzlich zu den praktischen und theoretischen Einflüssen kamen noch religiöse und mystische Aspekte hinzu. Denn das Wissen selbst galt in der Antike als etwas Göttliches wie die Existenz des ägyptischen Gotts des Wissens, Thot, bezeugt. Das Wissen der Alchemie war also quasi eine Offenbarung an den Menschen. So existierte die Sage nach dem Stein der Weisen, der unedles Metall in edles verwandelt, bereits seit der Antike. Die Anleitung zur Herstellung dieses Steines sei von Hermes Trismegistos persönlich überliefert worden. Hermes Trismegistos seinerseits ist eine Verschmelzung zwischen den Göttern Hermes und Thot.

Nach Europa gelangte die Kunst der Alchemie über die von Arabern besetzen Gebiete auf der Iberischen Halbinsel. Deshalb stammt auch das Wort „Alchemie“ höchstwahrscheinlich aus dem arabsichen Wortschatz. Die mittelalterliche Alchemie fokusierte sich vor allem auf die Transmutaitonen von Metallen. Deshalb war die Sage vom Stein der Weisen im Mittelalter besonders verbreitet.

Bereits Roger Bacon (ca. 1214-1292), ein Franziskanermönch und Naturforscher, unterschied zwischen theoretischer und angewandter Alchemie. Die erstere sollte nach ihm als Materienlehre die Basis für andere Naturfragen dienen. Die zweite beihnaltete die Medizin und die Naturphilosophie. Die Idee einer medizinisch ausgerichteten Alchemie führte unter anderem Paracelsus weiter und versuchte Medikamente basierend auf Quecksilber, Blut etc. auf Empfehlung Bacons herzustellen. Für Bacon hatte die Alchemie einen hohen Stellenwert, da sie seiner Meinung nach die Natur am besten nachahmte. Die Alchemie verdankte ihren hohen Stellenwert nicht zuletzt der Tatsache, dass ihr Aristoteles’ Elementarlehre zugrunde lag. So hatte auch Albert von Lauingen (ca. 1200-1280), der neben Thomas von Aquin den Schriften des Aristoteles Zugang zur christichen Gelehrsamkeit verschaffte, eine hohe Meinung über die Alchemie. Angesehene Alchemisten wurden zu dieser Zeit schnell als Magier oder Teufelsbündler bezeichnet, da sie als Universalgelehrte erschienen, die sich mit „alter“ Magie einliessen.

Mit dem Erblühen der antiken Philosophen in der Renaissance wurde die antike Schrift „Corpus Hermeticum“ berühmt. Sie entfachte eine hitzige Diskussion darüber, ob diese Schrift nicht sogar älter sei als das Alte Testament. Denn als Verfasser war wiederum der Gott Hermes Trismegistos angegeben. Erst während der Aufklärung zeichnete sich eine Abspaltung der Chemie von der Alchemie ab. Denn die neu gefundene Stoffe wie Sauerstoff oder Kohlendioxid konnten durch die Prinzipien der Alchemie nicht hinreichend erklärt werden. Die Abspaltung der Chemie als moderne Naturwissenschaft war ein langer und komplexer Weg, dem jahrhundertealte praktische und theoretische Überlegungen der Alchemie zugrunde lagen.