Auf den Spuren von Robert Langdon und Indiana Jones

(Bild: Rafael Koller)

EIN PLÄDOYER FÜR EINEN NISCHENMARKT

Wer ist nicht davon begeistert, wenn Nicolas Cage oder Tom Hanks auf der Leinwand verborgenen Templer- und Maya-Schätzen nachspüren und Rätsel der Vergangenheit lösen? Wer, wenn nicht wir Historikerinnen und Historiker, ist besser prädestiniert für die Schatzsuche? Welcher Beruf verspricht obendrauf derartige Adrenalinstösse, Reichtum und Reputation? Der Fall ist klar: raus aus dem Elfenbeinturm, aus den staubigen Archiven, aus dem prosaischen Vorlesungssaal. Denn Schätze und die Suche nach ihnen können das Leben verändern.

Wikimedia Commons
(Quelle: Wikimedia Commons)

Als Beispiel dafür dient die im polnischen Niederschlesien gelegene Stadt Wałbrzych, in der sich im vergangenen Jahr plötzlich hunderte Journalisten, Hobbyhistoriker, Schaulustige und Schatzsucher wiederfanden. Der Grund: auf Messbildern, aufgenommen von einem Ahnenforscher und einem Altbau-Sanierer, lässt sich angeblich ein langer, unterirdischer Hohlraum neben den Bahngleisen erkennen. In diesem Hohlraum – so spekuliert man – soll sich ein Panzerzug der Wehrmacht beenden, beladen mit Gold, Gemälden, womöglich sogar dem verschollenen Bernsteinzimmer. Seither wird, ohne nennenswerte Erfolge zu verzeichnen, gegraben und gemessen, werden Indizien gesammelt und Analogien hergestellt. Einzig akademische Historiker blieben der abenteuerlichen Goldzugsuche bisher fern – keine Dokumente, zu unseriös. Verständlich, man will schliesslich nicht das Stigma eines Verschwörungstheoretikers tragen.

Verändert hat der Goldzug für Wałbrzych und die Region so einiges. Zuvor als biederes, unspektakuläres Schlossstädtchen bekannt, schmückt es sich heute Stolz mit dem Titel «Stadt der Geheimnisse». Anstelle der lokalen Porzellanprodukte gingen seither Feuerzeuge, Tassen und T-Shirts mit Abdruck des imaginären Goldzuges über die Theke des örtlichen Besucherzentrums, es wurden Gedichte und Lieder über den Zug verfasst und selbst der Discovery-Channel drehte eine Doku-Reihe. Niederschlesien im Schatzrausch!

Doch nicht jeder (unauffindbare) Schatz garantiert einen derartigen Boom. Viel hängt von der zu erzählenden Geschichte ab und den Mythen, die sie umranken. Welche Mischung eignet sich dafür besser als der klassische Nazi-Krieg-Untergrund-Bestseller? Umso unverständlicher, dass der unter der Frankenstärke leidende Schweizer Tourismus diesen neuen Zweig noch nicht für sich entdeckt hat. An Nazigold-Geschichten mangelt es der Schweiz und den angrenzenden Regionen ja nicht. Neulich erzählte ein Bekannter von einem Schatz auf dem Grund des Lünersees in Vorarlberg. Angeblich versenkten dort Nazischergen Raubgüter aus dem Konzentrationslager Dachau, unter anderem Juwelen und Goldbarren. Die Voraussetzungen für einen ekstatischen Schatzboom im Alpenraum sind also vorhanden.

Sollte nach dem Studium die Suche nach dem passenden Beruf erfolglos verlaufen – Schätze gibt es zum Glück noch genug. Zur Not kann man sie sich auch einfach zusammenbasteln.