Eine Ode an die Pressefreiheit

Nationale Sicherheit gegen Pressefreiheit, Politiker gegen idealistische Journalisten. Dieser Konflikt ist so alt wie die Presse selbst. Der morgen anlaufende Film «The Post» widmet sich dieser Thematik mit viel Elan und Spannung.

Die Washington Post ist heute eine der bekanntesten amerikanischen Zeitungen. Sie bedient die amerikanische Hauptstadt und ihre Vertreter gehen im Weissen Haus ein und aus. 1971 befindet sich die Verlegerin Katharine Graham (gespielt von Meryl Streep) an der Spitze des Unternehmens und möchte mit einem Börsengang das Kapital der Zeitung aufstocken. Ausgerechnet zu diesem Zeitpunkt geraten die streng geheimen «Pentagon-Papers» ans Tageslicht, aus welchen hervorgeht, dass gleich vier US-Präsidenten ihre Bevölkerung über den Vietnam-Krieg belogen haben. Die New York Times bringt erste Artikel mit massiven Anschuldigungen an die betroffenen Präsidenten heraus ­– auch an den zu jener Zeit waltenden Richard Nixon. Während Nixon versucht, der New York Times einen Maulkorb zu verpassen, bemüht sich Washington Post Chefredaktor Ben Bradlee (gespielt von Tom Hanks), die Quelle der New York Times aufzuspüren. Eine Veröffentlichung von Artikeln basierend auf ebendiesen Quellen könnte aufgrund der aggressiven Zensierungsversuche Nixons aber den Börsengang der Zeitung und damit die Zukunft des Unternehmens gefährden. Es entzündet sich ein Konflikt zwischen wirtschaftlichem Kalkül, präsidialer Zensur und dem Ideal der Pressefreiheit.

The Post ist ein intensiver Film – Hirn ausschalten und berieseln lassen liegt nicht drin, wenn man der Story folgen will. Der Film wirft mit Informationen zum Vietnam-Krieg und amerikanischer Politik nur so um sich. Für alle jene, welche sich bisher nur mässig mit jener Zeitperiode auseinandergesetzt haben, dürften auch einige Aha-Momente drin liegen. Für manche könnte es sich gar empfehlen, sich zuerst etwas in die Thematik des Vietnamkrieges einzulesen. Regisseur Spielberg und die bisher weitgehend unbekannte Autorin Liz Hannah haben einen historischen Film geschaffen, welcher ein gewisses Hintergrundwissen über die politische Rolle der USA im Vietnam-Krieg voraussetzt und sich zum Ziel setzt, historisch akkurat zu sein. «Ich kann immer noch kreativ sein, mit der Kamera, mit den Kulissen, aber Fakten sind Fakten, und in gewissem Sinn wurden wir bei dem Film alle zu Journalisten», sagte Spielberg selbstbewusst im Interview mit dem Österreichischen Kurier.

Der Film reiht sich in eine lange Reihe historischer Journalistenfilme, wie etwa All the President’s Men, Frost/Nixon oder Spotlight ein. Er ist an gewissen Stellen etwas überdramatisiert, gerät dabei aber nie ins Absurde und die Story ist glaubwürdig. «The Post» ist nicht nur ein Film über historische Ereignisse, sondern auch thematisch hoch aktuell. Das ist Spielberg durchaus bewusst: So sagte er etwa in einem Interview mit dem Österreichischen Kurier, dass er zwei andere Projekte verschob, als er das Skript von Liz Hannah bekam. «Die Parallelen sind offensichtlich. Nixon hielt es mit der Wahrheit nicht so, wie die Wahrheit das verdient. Erinnert uns das an wen? Ich habe hier einen patriotischen Film gemacht, keinen parteipolitischen. Nicht als Demokrat, sondern als jemand, der an die Pressefreiheit glaubt, an Journalismus. Und auch als Gegenmittel zu diesem entsetzlichen Begriff ‚Fake News’. Die Helden meines Films sind Journalisten, und sie sind wahre Helden.»

Helden ja, aber sie sind auch Menschen. «The Post» erzählt auch die Geschichte von einer Geschäftsführerin, welche sich in einer Männerwelt zurechtfinden und lernen muss, sich selbst zu vertrauen. Sie erzählt die Geschichte von einem getriebenen Chefredaktor, der seine Zeitung zuoberst auf dem Podest sehen will und sich die Pressefreiheit in grossen Lettern auf die Fahne geschrieben hat. Genau die gleichen Charaktere müssen sich aber auch die Frage stellen, ob sie nicht vielleicht etwas zu gute Freunde wurden mit den Mächtigen im Weissen Haus, über die sie eigentlich objektiv berichten sollten. Immerhin zeigen die «Pentagon Papers», dass genau jene Personen sie jahrelang belogen haben.

«The Post» (deutscher Titel: «die Verlegerin») ist eine veritable Ode an die Pressefreiheit und schafft es, mitzureissen – obwohl eigentlich jedem Zuschauer, der auch nur kleine Geschichtskenntnisse hat, bewusst ist, wie die Story ausgeht.